Typisches Verhalten nach Fremdgehen

In meiner Praxis ist Fremdgehen oft der Grund für den Beginn einer Paartherapie. Betroffene berichten von einem Schockzustand. Es ist ein Symptom für etwas Unausgesprochenes, etwas tiefer Liegendes, das durch emotionale Leere und fehlende Nähe nach und nach ins Bewusstsein kommt.

Was wir sehen und spüren, liegt meist an der Oberfläche, wie die Spitze des Eisbergs: Wut auf den Partner, eisige Kälte und Gleichgültigkeit, Hunger nach körperlichen Berührungen, Bestätigung und Leichtigkeit usw. Darunter liegen jedoch meist Bindungsängste und unerfüllte Bindungsbedürfnisse, die vielleicht schon lange nicht mehr geteilt werden können, weil sich das Paar in einen negativen Beziehungstanz verfangen hat: die Sicherheit emotionaler Verbundenheit ist kaum noch zu spüren.

Warum geht man fremd?

Fremdgehen deutet oft auf ein Symptom für fehlende emotionale Wärme in der Partnerschaft hin. Paare fühlen sich weniger miteinander verbunden, was schwerwiegende Folgen haben kann. Jule und Ferdinand haben in einer Sitzung es mal so beschrieben: „Wir sind eigentlich beide irgendwie ein bisschen misstrauisch, wobei Ferdi sich eher zurückzieht, wenn schlechte Stimmung ist oder wir einfach nur funktionieren.“ Jule fügt hinzu: „Ich fange dann an, ihn zu kontrollieren, weil ich es einfach nicht aushalte: er schaut ständig auf sein Handy, obwohl er genau weiß, dass mich das rasend macht.“

Paare verheddern sich in einen negativen Beziehungstanz, wenn die emotionale Verbindung sich nicht mehr so sicher anfühlt: beide Partner sind Opfer und Täter. Dieser negative Tanz führt nach und nach zu gegenseitigen Verletzungen. Es fällt den Paaren schwer, Vertrauen wiederherzustellen. Ein Teufelskreis entsteht.

Das ist verständlich, weil selbst alltägliche Interaktionen Unsicherheiten hervorrufen können. Verletzliche Gefühle, wie z. B. die Angst, den anderen zu verlieren oder nicht begehrenswert zu sein, werden nur noch selten geteilt, weil das Risiko zu hoch ist, verletzt zu werden. Dabei spielt auch der fehlendende Austausch über Sexualität eine große Rolle. Kurz: der Raum für eine dritte Person, der die unerfüllten Bindungsbedürfnisse befriedigt, wird größer und größer.

„Ich habe mit anderen Frauen immer mal wieder gechattet, ja, und Jule hat das dann zufällig mitgekriegt“, sagt Ferdinand. „Natürlich war sie sauer! Wir haben aber beide anfangs gesagt, dass das nicht so schlimm ist. Es ist ja noch nichts passiert.“
Vorwürfe und Schuldzuweisungen haben zudem dazu geführt, dass sich das Paar immer weiter voneinander entfernt hat, bis die Suche nach Leichtigkeit und Zuneigung so stark wurde, dass Jule mit Ferdinands besten Freund
fremdgegangen ist. Auf einer Party. Einfach so.

Ferdinand wirkte in dieser Zeit sehr kalt, distanziert und gleichgültig auf Jule, die sich ebenfalls nach und nach zurückzog. Diese Verhaltensweisen spiegeln das negative Beziehungsmuster „Erstarren und Fliehen“ wider, oft die Vorstufe zur Trennung.
„Ich war so frustriert, ja enttäuscht und wütend auf Ferdi“, sagt Jule, „dass ich mir gedacht habe: Es interessiert ihn doch so und so nicht! Ich habe endlich mal wieder das Gefühl gehabt, dass ich wirklich wichtig bin. Ich war so ausgehungert, und brauchte Wertschätzung und Aufmerksamkeit, die ich von Michael bekommen habe. Das wurde mir aber erst hinterher so richtig klar.“
Fremdgehen deutet somit häufig auf unerfüllte Bindungsbedürfnisse in der Liebesbeziehung hin. Es ist die Spitze eines Eisbergs aus fehlender Wärme und mangelndem Verständnis.

Was ist typisches Verhalten nach dem Fremdgehen?

Was ist typisches Verhalten nach dem Fremdgehen?

Fremdgehen ist in vielen Fällen eine Bindungsverletzung, die beide Partner emotional überfordert. Ferdinand hätte nie gedacht, dass er so heftig reagieren würde: je misstrauischer und vorwurfsvoller er sich nach dem Fremdgehen verhielt, desto mehr verteidigte sich Jule und beteuerte immer wieder, dass es ihr leidtun würde.

Schuldgefühle können zudem dazu führen, dass der verletzende Partner wieder mehr auf den anderen zugeht: „Ich muss sagen“, erklärt Jule, „dass wir uns noch nie so gut und so tiefgründig unterhalten haben. Das ist irgendwie tragisch. Endlich spüre ich, dass ich ihm wirklich wichtig bin. Klar, ich habe auch Schuldgefühle, aber ich habe Ferdi noch nie weinen sehen.“

Es kann jedoch auch sein, dass das Fremdgehen eine Zeit lang verheimlicht und dann, wenn es nicht mehr anders geht, gebeichtet wird, was geschehen ist. „Es ging einfach nicht mehr“, so Jule, „ich habe gespürt, dass Ferdi etwas gemerkt hat. Plötzlich hat er Fragen gestellt, die er sonst selten gestellt hat: Wo bist du gestern so lange gewesen? Warum sagst du mir nicht Bescheid, dass es länger dauert?“

Typisch ist, dass der verletzte Partner zufällig herausfindet, dass der andere tatsächlich fremdgegangen ist und ihn/sie zur Rede stellt. Natürlich kann es sein, dass er/sie es schon zuvor geahnt hat. In dieser Phase berichten Paare von äußerst verletzlichen Situationen, weil bereits die Reaktion auf den Verdacht der Untreue unangemessen und kühl erscheint.
„Du hast einfach gesagt, dass es stimmt“, sagte Gudrun im Erstgespräch, die von ihrem Mann betrogen wurde. „Dann hast du dich wortlos weggedreht und mich in der Küche alleine gelassen. Ich habe dann nur noch die Haustür gehört und deinen Wagen wegfahren sehen.“

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Anzeichen beim Partner: Woran erkenne ich Untreue?

Anzeichen beim Partner: Woran erkenne ich Untreue?

Viele emotionale Reaktionen, die Paare in ihrem negativen Beziehungstanz zeigen, können Zeichen für Untreue sein: z. B. den anderen bedrängen, kritisieren oder ignorieren, das Gespräch verweigern usw. Dabei steht eine entscheidende Frage im Mittelpunkt: wie verhalte ich mich, wenn ich plötzlich merke, dass ich nicht sicher mit meinem Liebesmenschen verbunden bin?
„Ferdi hat mich kurz vor der Affäre ständig kritisiert. So habe ich es jedenfalls erlebt. Jede Begegnung war für mich die Hölle. Im Bett lief gar nichts mehr, kein Wunder, wenn man bedenkt, dass wir uns nicht mehr viel zu sagen hatten und nur noch als Eltern irgendwie funktionierten.“

Im Strudel negativer Beziehungstänze findet kaum ein emotionaler Austausch statt. Durch die Bindungsbrille betrachtet kann es sein, dass sich der untreue Partner diesen Gesprächen entzieht, indem der emotionale Kontakt vermieden wird, weil ihm/ihr die Sicherheit fehlt, über das, was ihm/ihr bewegt, zu reden. Auch die Angst, den anderen noch mehr zu verletzten, kann sich hinter den aufkommenden Schuldgefühlen verbergen, „Ja, es stimmt“, fügt Jule hinzu, „wenn ich das Gefühl habe, dass du meine Fehler hervorhebst, dann fühle ich mich nicht sicher mit dir verbunden. Und mittlerweile spüre ich eine emotionale Leere in mir.“

Wenn existenzielle Bindungsbedürfnisse unbefriedigt bleiben, z. B. die Neugier, wie es dem Partner wirklich geht, suchen viele Betroffene im Außen nach Erfüllung: neue Hobbys, Bekanntschaften, Kleidung usw. In einer erfüllten Partnerschaft ist diese Veränderung meist eine Bereicherung, da die Paare im emotionalen Austausch bleiben über ihre Wünsche, Sehnsüchte und Herausforderungen.

Je mehr sich jedoch ein Paar in ein negatives Beziehungsmuster verfangen hat, desto stärker können diese scheinbar äußerlichen Veränderungen die Partnerschaft gefährden, weil tiefe Unsicherheiten und Ängste hervorgerufen werden, die selten auf einer tieferen Gesprächsebene thematisiert werden.

Unterschiede zwischen Mann und Frau: Gibt es geschlechtsspezifische Anzeichen?

Unterschiede zwischen Mann und Frau: Gibt es geschlechtsspezifische Anzeichen?

Fremdgehen beginnt für viele Männer vor allem dann, wenn es zum sexuellen Kontakt gekommen ist. „Ja, ich habe einfach ein bisschen gechattet“, meint Ferdinand, „und daraus hat sich dann irgendwann eine gute Freundschaft entwickelt, aber das war doch noch keine Affäre.“ Jule sieht das völlig anders: „Für mich war es viel mehr. Du hast sogar mit ihr über unsere Probleme geredet.“ Die Entwicklung einer emotionalen Verbundenheit mit einer dritten Person kann dazu führen, dass sich Frauen eher betrogen fühlen, weil ja genau diese tiefe Verbindung in der Partnerschaft oftmals fehlt. Das macht Sinn.

Das typische Verhalten von Männern nach dem Fremdgehen kann sich z. B. in Distanziertheit, Gereiztheit und Wutanfällen äußern. „Wenn es kleine Unstimmigkeiten zwischen uns gab“, sagte Gudrun, eine andere Klientin, „hatte ich oft das Gefühl, dass er sofort an die Decke ging und abblockte. So kannte ich Peter überhaupt nicht. Allmählich ahnte ich, dass unsere Beziehung wirklich gefährdet war.“ Gudrun hat sich jahrelang damit abgefunden, dass Peter immer mal wieder fremdgegangen ist. „Ich wusste, dass er mich liebt, und zu mir steht“, brachte Gudrun zum Ausdruck. Ihr kamen die Tränen. „Er hat offen darüber gesprochen. Das war zwar nicht einfach, aber was sollte ich machen? Diesmal wirkte er aber so verschlossen, gereizt und unnahbar, was mich sehr wütend machte und verletzte.“

Männer, so der bekannte Paartherapeut John Gottman, geraten rascher in ein Gefühl der Überwältigung, sodass sie in Konfliktsituationen mauern, sich verteidigen oder in den Kopf gehen, um sich vor emotionaler Überforderung zu schützen. Hitzige Diskussionen auf der rationalen Ebene können sich entwickeln. Der präfrontale Cortext wird abgeschaltet, weil die Situation als Bedrohung und Gefahr erlebt wird. Das hat zur Folge, dass alte Überlebensstrategien des Reptiliengehirns aktiviert werden: Flucht, Kampf oder Erstarren.

Frauen haben i. d. R. mehr Zugang zu ihren primären Emotionen, was dazu führen kann, dass über das Fremdgehen offener kommuniziert wird. Allerdings hängt dies von dem jeweiligen Beziehungsmuster des Paares ab. Durch frühere Bindungserfahrungen in Kindheit, Jugendalter und vorherigen Liebesbeziehungen können Frauen ebenso vermeidende Anpassungsstrategien gelernt haben, die Einfluss auf die aktuelle Partnerschaft ausüben.

Wie sollte man sich verhalten, wenn man von Fremdgehen betroffen ist?

„Alles, was mir vorher Halt gegeben hat, ist einfach zusammengebrochen“, erklärt Gudrun in einer Einzelsitzung. „Was habe ich falsch gemacht? Mit dem Kleinen bin erst mal zu meinen Eltern gefahren, weil ich es in unserer Wohnung nicht mehr ausgehalten habe.“

Wenn man erfährt, dass der geliebte Mensch fremdgegangen ist, erleben viele Betroffene einen Schock. Um mit dieser äußerst unsicheren und schmerzlichen Situation umgehen zu können, ziehen sich viele Betroffene zunächst zurück, benötigen jedoch adäquate Unterstützung im sozialen Umfeld, damit sie nicht in ein emotionales Loch fallen. So kann verhindert werden, dass voreilige Entscheidungen getroffen werden.

Beziehung nach dem Fremdgehen: Wie kann man wieder Vertrauen aufbauen?

Beziehung nach dem Fremdgehen: Wie kann man wieder Vertrauen aufbauen?

Demzufolge gibt es mindestens vier Punkte, die ich empfehle, um wieder Vertrauen aufzubauen:

  • Vergebung ist möglich

Fremdgehen ist in vielen Fällen eine Bindungsverletzung, die überwunden werden kann. Vielen Paaren ist dies gelungen, gemeinsam, indem der negative Beziehungstanz nachgespürt und die Verbundenheit nach und nach wiederhergestellt wurde.

  • Professionelle Unterstützung

Wie konnte es dazu kommen? Es lohnt sich, dieser schmerzlichen Frage auf den Grund zu gehen, um auf die emotionale Not und fehlende Wärme eine Antwort zu finden: Die Suche nach Hilfe entlastet viele Paare, indem die verletzende Abwärtsspirale endlich durchbrochen wird.

  • Affäre unmittelbar beenden

Der verletzende Partner zeigt emotionale Präsenz, indem er Fragen einfühlsam beantwortet und im Hinterkopf behält, dass Verzeihen Zeit braucht. Bis es zu einem heilsamen Gespräch kommen kann, ist es ratsam, ein aktives Miteinander gemeinsam zu gestalten.

  • Gespräche heilen (fast) alle Wunden

Der verletzte Partner konzentriert sich vor allem auf die verletzlichen Gefühle und Bedürfnisse. Das ist keine leichte Aufgabe! In dem gemeinsamen Prozess der Vergebung steckt jedoch die Chance zur Heilung und Klärung: Können wir uns noch einen Vertrauensvorschuss geben?

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Häufig gestellte Fragen

Nach dem Fremdgehen fragen sich viele Betroffene, ob die Beziehung nun am Ende ist? Und wie konnte es überhaupt dazu kommen? „Für den ersten Geliebten ist der Gatte verantwortlich“, schreibt Fjodor Michailowitsch Dostojewski pointiert.

Für den negativen Beziehungstanz sind jedoch meist beide verantwortlich. In einer Paartherapie steht daher folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie ist dieser Teufelskreis entstanden? Was ist mein Anteil? Und wie können wir diesen negativen Tanz durchbrechen? Welche Beziehungsform passt wirklich zu uns? Eine offene Beziehung muss daher klar verabredet werden. Die Emotionen sollten in der Tiefe ergründet werden, ob dies für beide Partner tatsächlich funktionieren kann.

Kann man Fremdgehen verzeihen?

„Ich habe mich schon so oft dafür entschuldigt“, sagt Jule, „aber Ferdi schafft es einfach nicht, mir zu verzeihen.“
Eine zu rasche, zweckorientierte, floskelhafte oder erzwungene Entschuldigung, kann wie eine fatale Ausfahrt ins Ungewisse führen, die noch mehr Schmerz, Unverbundenheit und Distanz verursacht.

Eine Entschuldigung kann jedoch sehr wichtig sein! Wenn es jedoch um eine Bindungsverletzung geht, müssen wir die tiefen Verletzungen erst einmal richtig verstehen. Wir müssen gemeinsam untersuchen, in mehreren Gesprächen, wie es dazu gekommen ist. Dazu brauchen Paare eine sichere Basis: den Teufelskreis frühzeitig erkennen, empfindliche Punkte identifizieren und schwierige Momente rekapitulieren.

In sechs Schritten, so Sue Johnson, kann es durchaus gelingen, dass das Verzeihen tiefer Verletzungen eine noch stärkere Verbundenheit hervorruft. Den Schmerz beschreiben und anerkennen, allmählich aufeinander zugehen, Verantwortung übernehmen, auf die unerfüllten Bindungsbedürfnisse angemessen eingehen und das gemeinsame Schreiben einer neuen Geschichte über diesen kritischen Moment in der Beziehung.

Du kannst dir selbst die Frage stellen, wie gut du es schaffst, um Verzeihung zu bitten. Bewerte deine Fähigkeit auf einer Skala von 1 bis 10, ob du wirklich anerkennen kannst, dass du Fehler in deiner Beziehung machst oder gemacht hast.
Geholfen hat dem Paar, Gudrun und Peter, die das negative Beziehungsmuster Angriff/Angriff hatten, dass sie beide auf einer tieferen Ebene ihre Angst teilen konnten, den anderen bereits verloren zu haben. Dadurch war es möglich, dass Peter seiner Partnerin einfühlsam sagen konnte, was er von ihr brauchte: einen regelmäßigen, emotionalen Austausch über sexuelle Vorlieben und Themen. Auch konnte er in einer späteren Sitzung ihren Schmerz nachempfinden, sodass Gudrun ihm verzeihen konnte.

Was tun, wenn ich das Gefühl habe, betrogen zu werden?

Ich kann nur sagen, dass es in der Regel besser ist, die Dinge in der Partnerschaft anzusprechen, die einen bewegen. Die emotionale Verbindung kann dadurch enorm gestärkt werden: „Du bist mir so wichtig, dass ich meine verletzlichen Gefühle mit dir teilen will.“ Allerdings kommt es auf das WIE und die gefühlte Sicherheit in der Partnerschaft an. Wenn wir uns kaum sicher verbunden fühlen oder den anderen mit unserem Anliegen „überfallen“, kann es sein, dass dieser von den Gefühlen und Gedanken überflutet wird.

Wenn du also bemerkst, dass derartige Gespräche häufig zu Auseinandersetzungen und Eskalationen führen, kann es sinnvoll sein, sich professionelle Unterstützung zu suchen, um das negative Beziehungsmuster zu durchbrechen und die Verbundenheit zu stärken.

Gibt es einen Unterschied zwischen einmaligem Fremdgehen und regelmäßigem Betrügen?

Es kommt darauf an, wie die Betroffenen die jeweilige Situation erleben, wobei man erfahrungsgemäß sagen kann, dass regelmäßiges Betrügen zu einer massiven Bindungsverletzung führen kann. Entscheidend ist, dass die Bedeutung des Vorfalls genauer untersucht wird: Wie hat der verletzte Partner das Fremdgehen erlebt?

Es ist bisweilen gar nicht so einfach, die tiefe Bedeutung des Vorfalls zu erfassen. Ein Beispiel: der Umgang mit einer Affäre kann verletzender sein als die Affäre selbst, und das muss einen erst mal klarwerden. „Es war dein kalter, gleichgültiger Blick, als ich dir gesagt habe, dass ich es weiß“, sagte Gudrun „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Daran denke ich immer wieder!“ Ohnmächtig. Ausgeliefert. Isoliert. Ein Nie-Wieder-Moment, der sich zu einem Beziehungstrauma entwickeln kann. „Ich habe mich so alleine gefühlt, bin innerlich zerbrochen“, fügte Gudrun hinzu.

Es sind entscheidende Momente, in denen wir uns sehr zerbrechlich und bedürftig fühlen, und denjenigen, den wir lieben, am meisten brauchen, doch wir fühlen uns von unserem geliebten Menschen im Stich gelassen, was schwerwiegende Konsequenzen für die Partnerschaft haben kann.

Soll ich nach dem Fremdgehen Schluss machen oder um die Beziehung kämpfen?

Bei massiver Bindungsverletzung, wie oben beschrieben, wird die Beziehung häufig beendet: je weniger es einem Paar demzufolge gelingt, diese Verletzung gemeinsam zu heilen, desto schwieriger wird es, wieder Vertrauen aufzubauen.
Wenn du um Entschuldigung bittest, ist es wichtig, dass du die Verletzung zuallererst anerkennst und versuchst, den Schmerz nachzuvollziehen.

„Verletzungen kann man vergeben“, schreibt Sue Johnson, die Begründerin der Emotionsfokussierten Paartherapie, „verschwinden werden sie nie. Wenn alles gut geht, können sie als Beispiele für einen Neuanfang und für die Wiederherstellung der Verbundenheit in die Bindungsgeschichte des Paares integriert werden.“

Gibt es Warnsignale, die auf Untreue des Partners hindeuten?

Es ist außerordentlich hilfreich, wenn wir den Teufelskreis der Unverbundenheit als Paar erkennen, der Untreue ermöglichen kann. Sicher gebundene Paare entwickeln ein Gespür dafür, sodass sie rechtzeitig mögliche Risse in der Partnerschaft reparieren, z. B. durch ein Deep Talk.
Folgende Signale sind zu beachten:

  • Fehlender emotionaler Austausch im Alltag (kaum Quality time).
  • Häufige Eskalationen, die scheinbar durch Kleinigkeiten hervorgerufen werden.
  • Emotionale Kälte, Distanziertheit oder Wutausbrüche.
  • Wenig Interesse und Neugier, was den anderen bewegt (wie in einer WG leben).
  • Erschöpfung und psychische Überlastung durch Familie, Beruf usw.
  • Sexuelle Unzufriedenheit („Wir schlafen schon lange nicht mehr miteinander.“)

Daher ist es ungemein wichtig, auf diese Warnsignale zu achten und sich ggf. frühzeitig professionelle Unterstützung zu suchen.
Beziehungsmuster können, wenn wir nicht lernen, negative Interaktionen zu durchbrechen, äußerst destruktive Formen annehmen, die letztlich für unsere Gesundheit fatale Folgen haben können.

Fazit

Fremdgehen als Chance für mehr emotionale Verbundenheit? Diese Frage ist für viele Menschen sehr aufreibend und bewegend. Wie man mit Fremdgehen umgeht, kann jedoch entscheidend dafür sein, ob das Paar überhaupt wieder zueinander findet und Vertrauen aufbauen kann. Das beste Rezept fürs Fremdgehen ist daher die gemeinsame Entwicklung in Richtung sichere emotionale Verbundenheit. Und natürlich kann es sein, dass eine massive Bindungsverletzung vorliegt, die sehr schwer zu heilen ist.

Viele Paare haben es dennoch geschafft, indem sie anerkennen, spüren und ausdrücken, wie wichtig der andere tatsächlich ist.
„Niemals sind wir so verletzlich, als wenn wir lieben“, schrieb Sigmund Freud. Entscheidend dabei ist, dass das Fremdgehen nicht unbedingt das Ende bedeuten muss, sondern die Chance auf eine erfüllte Partnerschaft.

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Oliver Masch
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